Am 27. und 28. September fand in Köln das 5. Festival der Solidarität statt, organisiert vom Verein „Stimmen der Solidarität-Mahnwache Köln e.V.“ Die zweitägige Veranstaltung, die darauf abzielt, den Kampf für Menschenrechte einem breiteren Publikum näherzubringen, zog viele Besucher:innen an und setzte ein deutliches Zeichen für internationale Solidarität.
Das Festival wurde mit der Eröffnung einer Kunstausstellung des Antakya Kunstkollektivs unter dem Titel „An einem Ort, an dem keine Straße einen Namen trägt“ eingeläutet. Bei der Eröffnung erinnerte der Künstler Adil Okay an die verheerenden Folgen des Erdbebens vom 6. Februar 2023, bei dem mehr als 54.000 Menschen ihr Leben verloren: „Nach dem Erdbeben lagen die Menschen drei Tage lang unter den Trümmern, ohne Hilfe. Die staatliche Unterstützung kam viel zu spät.“
Auch der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter nahm an der Veranstaltung teil und betonte die Bedeutung des Festivals: „Das Festival der Solidarität ist ein wertvoller Beitrag für Köln und den Kampf für Menschenrechte.“ Wolter überbrachte die Grüße der Oberbürgermeisterin Henriette Reker und hob die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Engagements hervor.
Ein starkes Zeichen für internationale Solidarität
Die Vorstandsmitglieder des Vereins Stimmen der Solidarität, Georg Krautkrämer, Jürgen Wessling und Adil Demirci, zeigten sich zufrieden mit dem Auftakt der Veranstaltung: „Mit dieser Kunstausstellung eröffnen wir das Festival. „Wir möchten in den kommenden zwei Tagen mit kulturellen und politischen Beiträgen den Kampf um die Menschenrechte in der Türkei und im Iran hervorheben und den Geist der Solidarität stärken.“
Im Rahmen der Festivaleröffnung fand eine Diskussionsrunde mit dem ehemaligen politischen Gefangenen und Journalisten Nedim Türfent statt. Türfent berichtete von seiner sechsjährigen Haft in der Türkei und seiner Arbeit als Journalist. Zudem wurden Gedichte des Dichters Ali Eren Renkliöz, die sich mit dem Thema Freiheit auseinandersetzen, vorgetragen. Musikalisch begleitet wurde das Festival von der „Jupiya“-Gruppe aus Genf und dem Musiker Can Leman.
Berichte aus der Türkei: Erlebte Menschenrechtsverletzungen
Am ersten Tag des Festivals lag der Fokus auf Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Meryem Göktepe, Schwester des 1996 in Polizeigewahrsam ermordeten Journalisten Metin Göktepe, schilderte ihre Erfahrungen. „Während meiner eigenen Inhaftierung wurde mir die Tonaufnahme von gefolterten Männern vorgespielt. Man sagte mir: ‚Hör gut zu, so haben wir deinen Bruder getötet.‘ Solche psychologischen Foltermethoden sollte ich ertragen, während ich mich gleichzeitig um meine kleine Tochter und meine Mutter sorgte“, so Meryem Göktepe. Sie erinnerte daran, wie Metin Göktepes Fall nach Aydın und Afyon verlegt wurde, um eine breite Berichterstattung zu verhindern. Doch zahlreiche Journalist:innen und Zivilgesellschaftsorganisationen folgten dem Prozess und sorgten dafür, dass der Fall landesweite Aufmerksamkeit erhielt.
Auch İkbal Eren, Schwester des 1980 spurlos verschwundenen Hayrettin Eren, berichtete über den Schmerz des Verschwindenlassens und die darauffolgende Suche nach Gerechtigkeit. Sie betonte die Bedeutung der „Samstagsmütter“ und ihrer wöchentlichen Mahnwachen auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul. Diese Bewegung, die seit 1995 besteht, setzt sich bis heute für die Aufklärung von Fällen verschwundener Personen in der Türkei ein.
Politische Prozesse und Verfolgung von Oppositionellen
Orhan Gazi Ertekin, Jurist und ehemaliger Richter, sprach über die derzeitige politische Lage in der Türkei und zog Parallelen zwischen dem Fall Selahattin Demirtaş und sogenannten „Femegerichten“. Er betonte, dass die Gerichtsverfahren gegen Oppositionelle wie Demirtaş der den Rechtsanwalt Selçuk Kozağaçlı Teil einer Strategie seien, um politisch unbequeme Stimmen systematisch zu eliminieren. „Diese Prozesse sind wie die Geschichte vom ‚Schatten des Esels‘: Man vermietet einen Esel und führt eine Debatte darüber, ob der Schatten des Esels ebenfalls vermietet werden kann. Der Fall Osman Kavala ist ein solches Beispiel: Es wird versucht, einen unschuldigen Geschäftsmann und Politiker als Terroristen darzustellen.“
Herausforderungen für Exil-Oppositionelle
Der zweite Festivaltag widmete sich der Situation von Oppositionellen im Exil. Unter dem Titel „Repression gegen Exil-Oppositionelle und die Rolle Europas“ diskutierten der Journalist und Aktivist Hayko Bağdat, der Schriftsteller Kerem Schamberger und Süleyman Demirtaş, Bruder des inhaftierten HDP-Politikers Selahattin Demirtaş. Moderiert wurde die Veranstaltung von der Politikerin Lale Akgün.
Hayko Bağdat betonte, dass die Repressionen auch in Europa spürbar seien und zahlreiche Oppositionelle unter Überwachung stünden. „In Deutschland arbeiten über tausend Freiwillige für den türkischen Geheimdienst. Auch ich war betroffen, da mein Reisepass nicht verlängert wurde und ich mich gezwungen sah, einen Antrag bei Armenien zu stellen. Es ist absurd, aber ich habe auf der Theaterbühne in Köln eine kugelsichere Weste getragen“, berichtete Bağdat.
Kerem Schamberger von der Menschenrechtsorganisation „Medico“ wies auf die Pläne der deutschen Bundesregierung hin, verstärkt Türkei-stämmige Asylbewerber:innen abzuschieben: „Es gibt mittlerweile Abkommen, die darauf abzielen, monatlich 500 Menschen in die Türkei zurückzuführen. Besonders betroffen sind Menschen aus kurdischen Gebieten.“
Unterstützung durch zahlreiche Organisationen
Das Festival fand in Kölns Stadtteil Ehrenfeld statt und wurde von einer Vielzahl an Organisationen unterstützt, darunter die Stadt Köln, Soziokultur NRW, Erich-Bethe Stiftung, Willi-Eichler-Akademie, die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zudem gab es Informationsstände, unter anderem von „Görülmüştür“, einem Verein, der sich für die Rechte inhaftierter Journalist:innen und Künstler:innen einsetzt. Die Ausstellung „Kunst hinter Gittern“ und eine Solidaritätskampagne für die Kobane-Prozesse zählten ebenfalls zum Programm.
Mit einem breiten Spektrum an politischen Diskussionen, künstlerischen Darbietungen und Solidaritätsaktionen setzte das 5. Festival der Solidarität ein starkes Zeichen für die Bedeutung des internationalen Menschenrechtskampfs und die Solidarität mit Verfolgten.