Auf unserer 139. Mahnwache am 5. November 2025, die zugleich den Auftakt zu unserem diesjährigen 6. Festival der Solidarität bildet, machen wir erneut auf die systematische Kriminalisierung und Inhaftierung von Journalist:innen, Künstler:innen und Menschenrechtsverteidiger:
In dieser Woche wurde die Theaterkünstlerin Eda Saraç festgenommen. Am Abend des 25. Oktober 2025 geriet sie in Harbiye in eine Auseinandersetzung mit der Polizei, als sie auf dem Weg zu ihrer Bühne war und aufgrund von Sicherheitsabsperrungen im Zusammenhang mit dem Istanbul-Programm des Präsidenten aufgehalten wurde. Als ihr der Durchgang verwehrt wurde, kam es zu einer Diskussion, woraufhin Saraç festgenommen wurde. Die Künstlerin verbrachte eine Nacht in Polizeigewahrsam und wurde am nächsten Tag unter dem Vorwurf der „Beleidigung des Präsidenten“ der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Dieser Fall steht exemplarisch für die fortschreitende Einschüchterung kritischer Kulturschaffender.
Kurz zuvor wurde auch der bekannte Journalist Merdan Yanardağ inhaftiert. Yanardağ, Chefredakteur des oppositionellen Senders Tele1, sieht sich laut Medienberichten mit einem Spionagevorwurf konfrontiert. Gleichzeitig wurde der Fernsehsender unter Zwangsverwaltung gestellt. Die Ermittlungen richten sich demnach auch gegen den ehemaligen Istanbuler Bürgermeister und Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu sowie seinen Wahlkampfleiter Necati Özkan. Diese Vorgänge zeigen, wie weit die politische Repression inzwischen reicht – selbst prominente Vertreter der Opposition werden unter schweren Vorwürfen kriminalisiert, um demokratische Stimmen zu schwächen und unabhängigen Journalismus zu unterdrücken.
Die Repression trifft jedoch nicht nur prominente Namen. Seit über einem Jahr sitzt die Menschenrechtsaktivistin Hatice Onaran vom Menschenrechtsverein IHD in Haft, weil sie laut Anklage politische Gefangene unterstützt habe. Ihr wird vorgeworfen, inhaftierten Personen Geld überwiesen und ihnen notwendige Bedarfsartikel zukommen gelassen zu haben – ein solidarischer Akt, wie ihn Menschenrechtsorganisationen weltweit praktizieren.Die linke Journalistin Sevda Perihan Erkilinç befindet sich seit Mai in Haft, und Ebru Yiğit wurde kürzlich zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt. Der kurdische Journalist Ziya Ataman (zu 14 Jahren verurteilt) ist bereits seit 2016 eingesperrt, und Ali Barış Kurt wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Darüber hinaus werden weiterhin Menschen aus dem Umfeld der Gezi-Proteste als politische Gefangene festgehalten. Der Kunstmäzen Osman Kavala wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Ebenso erhielten die Filmproduzentin Çiğdem Mater, Mine Özerden, Tayfun Kahraman sowie der Menschenrechtsanwalt Can Atalay Haftstrafen von 18 Jahren. Sie stehen stellvertretend für den Versuch, zivilgesellschaftliches Engagement und den demokratischen Ruf nach Freiheit zu kriminalisieren und aus dem öffentlichen Raum zu drängen.
Wir stehen am 5. November um 18:00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz, weil wir diese Menschen nicht vergessen, weil wir ihre Namen und Stimmen sichtbar machen und weil Solidarität keine Grenzen kennt. Kunst, Journalismus und Menschenrechte sind keine Verbrechen. Unsere Mahnwache ist ein Zeichen gegen Willkür und Unterdrückung – und für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit.
 
			



