Der israelische Angriff auf das iranische Foltergefängnis Evin vor Beginn der Waffenruhe zwischen den beiden Ländern hat 71 Todesopfer gefordert. Das sagte Justizsprecher Asghar Jahangir am Sonntag laut dem Justizportal Mizan. Unter den Opfern seien Verwaltungsangestellte, Wehrdienstleistende, Häftlinge sowie deren Angehörige und Anrainer. Am Montag hatte die israelische Luftwaffe Teile der Haftanstalt Evin bombardiert – laut israelischer Darstellung ein symbolischer Schlag gegen die iranische Regierung. Iranische Aktivisten und ehemalige Insassen reagierten mit scharfer Kritik: Der Angriff gefährde das Leben politischer Gefangener und verhöhne deren Schicksal. In Evin sind auch mehrere Europäer inhaftiert. Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als Ort für Misshandlung und Folter, insbesondere von politischen Gefangenen. Auch Demonstranten wurden dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten inhaftiert.
Atomprogramm intakt
Indes haben nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die israelischen und US-Angriffe auf die iranischen Atomanlagen keine verheerenden Schäden angerichtet. Bereits in einigen Monaten könne der Iran wieder mit der Anreicherung von Uran beginnen. Das iranische Atomprogramm sei nicht völlig zerstört worden, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi laut einem am Samstag veröffentlichten Transkript am Freitag in einem Interview mit dem US-Sender CBS. Die Iraner könnten „binnen Monaten“ oder sogar „weniger“ wieder mit einigen Kaskaden von Zentrifugen Uran anreichern, sagte Grossi. Abgesehen davon sei unbekannt, was nach den Bombardements aus den schätzungsweise gut 408 Kilogramm Uran geworden sei, die der Iran bereits auf einen hohen Grad von 60 Prozent angereichert hatte. „Wir wissen nicht, wo dieses Material sein könnte“, räumte der IAEA-Chef ein. Weiter angereichert auf 90 Prozent würde dieses Uran für mindestens neun Atombomben reichen.
Ein Teil davon sei womöglich bei den Angriffen zerstört worden, „aber etwas davon könnte fortgebracht worden sein“, sagte Grossi in dem CBS-Interview, das am Sonntag vollständig ausgestrahlt werden soll. Der Verbleib des atomaren Materials müsse noch geklärt werden. Das iranische Parlament hat dafür gestimmt, die Zusammenarbeit mit der IAEA auszusetzen. Grossis Ansinnen, IAEA-Inspektoren zu den bei den Angriffen beschädigten iranischen Atomanlagen zu schicken, wurde abgelehnt. (APA, red, 29.6.2025)
Quelle: https://www.derstandard.de/story/3000000276612/iaea-chef-grossi-der-iran-k246nnte-schon-bald-wieder-uran-anreichern