Patrick Kraicker (35) saß sechs Jahre im türkischen Knast – wegen angeblichem Terrorverdacht. Jetzt erzählt er „Report München“ von Schlägen und einem erzwungenen Geständnis.
Über sechs Jahre hat Claudia Schmuck auf ihren Sohn gewartet. Jetzt ist er endlich entlassen worden, aus türkischer Haft. „Ich hoffe, mein Sohn kommt gesund hier an. Ich kann ihn in die Arme nehmen und nachher mit nach Hause nehmen. Der Albtraum hat ein Ende. Und ich freue mich natürlich riesig“, sagt sie gerührt am Flughafen. Mit 29 Jahren wurde Patrick Kraicker verhaftet. Sechs lange Jahre hat er in türkischen Gefängnissen verbracht.
Patrick: „Mir fehlen ein bisschen die Worte“
„Mir fehlen noch ein bisschen die Worte, weil ich in den sechs Jahren so gut wie gar kein Deutsch gesprochen habe. Ich war halt in den ganzen sechs Jahren der einzige Deutsche, es hat keinen Kontakt gegeben zu jemand anderem. In den letzten zwei Jahren in Ankara war ich komplett alleine, Isolationshaft. Ja, das war eine schwere Zeit“, sind seine ersten Worte nach der Rückkehr nach Deutschland.
Patrick Kraicker hat Verurteilung immer widersprochen
Rückblick: Am Tag der Verurteilung im Herbst 2018 berichtet die Tagesschau ausführlich über ihn. „Ein türkisches Gericht hat einen 29-jährigen Deutschen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt“, heißt es da. Patrick Kraicker hat dem immer widersprochen. Niemals habe er sich einer Terrororganisation anschließen wollen, er sei zum Wandern in die Türkei gekommen. Wie ist es, wieder frei zu sein? „Ist für mich eine Neuheit. Der Geruch, den ich rieche, den hatte ich lange nicht mehr. Das Grün, die Blätter, die Leute, die vorbeilaufen, die Hunde, die Tiere. Das habe ich sehr vermisst.“
„Ich wurde psychologisch gefoltert“
Er will über seine Erlebnisse in türkischer Haft sprechen. Wie schwer das für ihn ist, zeigt sich, als ihm seine Mutter den Tagesschaubericht vom Tag seiner Verurteilung zeigen will. „Das sind noch so schwierige Sachen, geht gar nicht“, sagt er emotional gerührt. Dann packt er aus: „Das war in den letzten zwei Jahren in die Hölle. Also ich wurde psychologisch gefoltert, ich wurde geohrfeigt, es wurde in die Zelle gegangen, wenn ich angefangen habe, abends oder nachts zu schlafen. Und dann wurde gegen die Zelle geschlagen mit metallenen Gegenständen, dass ich nicht einschlafen kann.“
In den letzten Jahren häufen sich Berichte und Warnungen über Menschenrechtsverstöße in der Türkei. Das Anti Folter Komitee des Europarates, Türkische Menschenrechtsorganisationen und der Ausschuss für Menschenrechte des Bundestages berichten von Folter und unfairen Prozessen. Ähnliches sagt auch Patrick Kraicker. Er sei entführt und mit verbundenen Augen ins türkisch irakische Grenzgebiet geschafft worden.
Vorwürfe an die deutsche Botschaft
Die Türkei-Expertin von Amnesty International Deutschland hat sich das Urteil genau angesehen. „Ich kenne Patrick Kraicker nicht und ich kann nicht sagen, was er gemacht hat oder nicht gemacht hat. Was man natürlich aus allem, was mir bekannt ist, an Dokumenten vorliegt, kann man nur sagen, das ist ein absolut unfairer Prozess war, in dem er verurteilt worden ist. Hat ihn denn die deutsche Botschaft in der Türkei unterstützt?“, fragt sie. „Eine Sachbearbeiterin in Istanbul hat sich eingesetzt für mich, die hat mir Klamotten geschickt, die hat mir Bücher geschickt, die hat mir auch Briefe geschickt. Nicht über die Botschaft, die haben zu wenig gemacht, die hätten da wesentlich mehr tun können“, beschwert sich Kraicher.
Quelle: https://www.focus.de/politik/sass-wegen-terrorverdacht-ein-jetzt-spricht-patrick-35-ueber-seinen-sechsjaehrigen-horror-im-tuerkischen-gefaengnis_id_260151523.html